Das Ende einer Reise

Wie schnell drei Monate vergehen können. Und wie viel in der Zeit doch auch passiert ist. Am Ende ging alles ganz schnell, auch ganz wörtlich, mit unserer fast schon etwas überstürzten Abreise aus La Paz. Das war auch unsere erste Station in Bolivien vor etwas mehr als zehn Tagen gewesen. Nach stundenlanger Busfahrt durch das öde, vegetations- und sauerstoffarme Altiplano, der Hochebene im Westen von Bolivien, erreichten wir die höchstgelegene Hauptstadt der Welt. Ach nein, die offizielle Hauptstadt ist ja jetzt Sucre. Und damit erbt den Titel das von uns auch schon besuchte Quito. De Facto ist der Regierungssitz in La Paz – und das sollte in der Folge auch nicht so ganz unbedeutend sein. Aber der Reihe nach.

La Paz wusste durchaus mit seinen hübschen Seiten zu überraschen
La Paz wusste durchaus mit seinen hübschen Seiten zu überraschen

Gleichzeitig mit unseren beiden Lieblingsschweizern, allerdings mit anderen Bussen und zu anderen Hostels, kamen wir am frühen Nachmittag an und erkundeten nach dem Check-In sogleich die Altstadt. Eine erste positive Überraschung: Überall Markt mit frischen Früchten und sonst allem, was man so verkaufen kann, relativ sauber und die Leute wirklich freundlich. Auch das Essen sollte uns sowohl an diesem als auch an allen anderen Abenden in der Stadt nicht enttäuschen. La Paz hat eine große Bandbreite an guten Restaurants zu wirklich fairen Preisen (case in point: Popular Cocina 1). 

La Paz ganz entspannt

Der ursprünglich Plan besagte, mit einer Tour in die Salzwüste Uyuni zu gehen. Doch schon an diesem Freitag wurde uns schnell klar, dass unsere Reiseplanung bislang eines nicht bedacht hatte: Am Sonntag, dem 20.10. waren Präsidentschaftswahlen in Bolivien. Und an dem Sonntag war in der Stadt Stillstand angeordnet. Keine Autos, keine Busse, kein Alkohol, die allermeisten Geschäfte zu. Vor Montag war also nicht ans Wegkommen zu denken. Also machten wir uns ein gemütliches Wochenende zusammen mit Ruben und Jill.

Für nicht einmal zwei Euro (13,- Bolivianos) lässt sich nämlich eine Karte für die Teleférico, die Stadtseilbahn, kaufen, mit der man verschiedenen Linien einen wundervollen Rundkurs über die Dächer der Stadt machen kann. Passenderweise lag auf dem Weg direkt auch noch das Stadio Hernando Siles, in dem gerade die Mannschaft mit dem wundervollen Namen The Strongest ein Heimspiel bestritt. Wir sahen mit reichlich Popcorn ein unterhaltsames 2:2 und freuten uns darüber, dass Frauen in bolivianischen Stadien freien Eintritt haben. Den Abend beschlossen wir um urigen Restaurant 17002, dass mit seinem auffallend phallischen Dekor zunächst ein klein wenig irritierte (ja, da sind überall Penisse, vorzugsweise im Holzschnitt der Möbel).

Die besten Standrundfahrten sind immer mit der Seilbahn
Die besten Standrundfahrten sind immer mit der Seilbahn
"The Strongest" holen bei Kaiserwetter einen Punkt beim Heimspiel
„The Strongest“ holen bei Kaiserwetter einen Punkt beim Heimspiel

Der Wahltag selbst war hochgradig surreal. Leere Boulevards, keine Abgase, kein Verkehr und kein Lärm. Was macht man also an so einem Tag, an dem das Leben draußen eine Pause macht? Richtig, man setzt sich in einen Pub, trinkt Bier und spielt Karten. Danke an dieser Stelle an das Team Schweiz für das Beibringen von Scopa 3, es ist jetzt schon eines unserer Lieblings-Kartenspiele geworden.

Surreal: Millionenstadt angehalten für den Wahltag
Surreal: Millionenstadt angehalten für den Wahltag

Läuft nicht im Amazonas

Zwischendrin hatten wir uns übrigens umentschieden. Die Salzwüste würde ich auslassen (Sabrina hat ja noch ein bisschen mehr Zeit), dafür würden wir in den Amazonas gehen. Es war auch eine Entscheidung gegen Kälte und Höhe in der Uyuni, und für die Wärme des Dschungels. Also verabschiedeten wir uns nach einem letzten gemeinsamen Lunch von unseren Schweizer Freunden und bestiegen einen Bus nach Rurrenabaque. Und ab da lief es einfach nicht mehr mit…

Nicht nur, dass der Bus selbst eine monströse, verrostete, unbequeme Katastrophe war, in der wir für 17 Stunden eingesperrt sein würden. Das war ja zu erwarten gewesen. In Nostalgie und Rückenschmerz dachten wir wehmütig an Cruz del Sur in Peru zurück. Nein, die Pechsträhne fing damit an, dass man Sabrina beim Pausenstopp aus dem Bus das Handy klaute. Gut, Unvorsicht war involviert, das muss man dazu sagen. Einmal kurz nicht aufgepasst und schwupps, weg war’s – mitsamt aller Bilder. Da half auch eine Ansprache mit ausgelobter viel zu hoher Belohnung nichts. Gut, dass wir a) meistens eh das gleiche fotografiert hatten und ich b) nach Galapagos mal großzügig Bilder rübergezogen hatte. Nach der morgendlichen Ankunft in Rurrenabaque verbrachten wir demnach den Tag auch primär mit mentalem Wunden lecken und einem Besuch bei der faulsten Polizei der Welt.

Anti-Evo-Proteste sogar im abgelegenen Amazonas-Gebiet
Anti-Evo-Proteste sogar im abgelegenen Amazonas-Gebiet

Doch damit nicht genug, denn auch aus der beim freundlichen, sehr gut deutsch sprechenden Ernesto gebuchten Pampas-Tour, unserem eigentlichen Aufenthaltsgrund, wurde nichts. Gar nichts. Denn in der ersten Nacht in unserem Hostel wachte ich mit Schüttelfrost und etwa 40 Fieber um 1:00 Uhr auf und verbrachte den Großteil der Nacht wechselweise mit Rumwälzen und auf der Toilette. Die Symptome passten auf Malaria – und waren nicht die miesen Moskitostiche vom Machu Picchu genau zehn Tage her (#inkubationszeit)? Kaum in der Lage, mich selbstständig auf den Beinen zu halten, schleppte mich Krankenengel Sabrina am nächsten morgen ins örtliche Krankenhaus. Auch ein Erlebnis, kann man sagen. Aber unser Arzt war extrem bemüht und führte nicht nur sämtliche Labors durch, sondern ließ auch gleich zwei Liter Flüssigkeit intravenös in mich reinlaufen.

Wirklich geholfen hat das alles nicht, aber immerhin war es wohl keine Malaria. Was es war weiß keiner, jedenfalls war es mies genug, um mich noch zwei weitere Tage nicht aus dem Bett kommen zu lassen. Ein toller Geburtstag war das am Mittwoch – zum Vergessen! Als Geschenk zogen wir immerhin in ein Hotel mit Klimaanlage um. In dem anderen Zimmer bewegte sich kein Lüftchen und es roch auch mittlerweile ein bissl nach Lazarett. Die Antibiotika hatten mich schließlich pünktlich zum Rückflug am Samstag einigermaßen wiederhergestellt. Kulanterweise erstattete uns Ernesto zumindest einen Teil der bereits bezahlten Tour, sodass der verkorkste Aufenthalt in Rurrenabaque zumindest auf einer leise positiven Note ausklang.

Das ist der Flughafen. Also, das. Mehr nicht
Das ist der Flughafen. Also, das. Mehr nicht

Erneut politische Reiseplanung

Angekommen in La Paz gab es wenig zu entspannen, denn die Lage war zwar sehr friedlich, aber der Ausblick unbeständig. Evo Morales, der erste indigene Präsident Südamerikas, hat sich ein bisschen arg in seine Macht verliebt. Und Korruption soll wohl auch eine Rolle spielen. Jedenfalls war er zum vierten Mal angetreten, was die Verfassung eigentlich gar nicht her gibt, aber ein höriges Gericht genehmigt hatte. Die Auszählung war so offensichtlich komisch4, dass sich die Bolivianer aktuell sagen “es reicht”, und auf die Straße gehen. Im Wesentlichen geht es darum, dass mit verblüffend genau ausgezählten 10% Vorsprung auf den Zweitplatzierten eine Stichwahl für Evo nicht nötig ist. Davor fürchtet sich der Amtsinhaber auch mit Recht, da sich die Opposition dann auf die Unterstützung eines verbliebenen Kandidaten konzertieren kann. Auch die internationale Gemeinschaft hat sich zu diesem Thema schnell und recht eindeutig positioniert 5.

So friedlich die Proteste in der Nachwahlwoche auch gewesen sein mögen, die Angst vor einem weiteren Chile 6 lag in der Luft. Zumal der Riss sauber zwischen zwei politischen Lagern verläuft. Die Gegner Evos hatten für den Montag zum Generalstreik, dem Marsch auf La Paz und die Blockade der Stadt aufgerufen. Avianca kam unseren Überlegungen zuvor, und verlegte meinen Flug nach New York von 8 Uhr morgens mitten in die Nacht hinein. Für Sabrina handelten wir schnell und fanden auch noch was: Sie guckt sich jetzt in Iguaçu in Brasilien Wasserfälle an. Auch schön. Media Coverage ist etwas dünn und auch unzuverlässig, aber die Lage scheint, auch vor dem Hintergrund zunehmenden internationalen Drucks, nicht zu eskalieren. Hoffen wir, dass es so bleibt.

Danke für die wunderbare gemeinsame Reise!
Danke für die wunderbare gemeinsame Reise!

Mit dem schweren Abschied am Flughafen El Alto endete also Sabrinas und meine wunderbare gemeinsame Reise. Mich führte es auf Grund meiner ersten Station und eines bestehenden Rückflugs noch zwei Tage nach New York City. Zumindest vom Wetter brachte mich die Stadt wieder sehr deutlich an Hamburg heran. Ein netter kleiner Abstecher, um den Kontrast nicht zu groß werden lassen von diesem facettenreichen, schönen aber auch anstrengenden und instabilen Südamerika.

Notizen

  1. https://www.tripadvisor.com/Restaurant_Review-g294072-d13084106-Reviews-Popular_Cocina_Boliviana-La_Paz_La_Paz_Department.html
  2. https://www.tripadvisor.com/Restaurant_Review-g294072-d8512797-Reviews-Restaurant_1700-La_Paz_La_Paz_Department.html
  3. https://en.wikipedia.org/wiki/Scopa
  4. https://www.spiegel.de/politik/ausland/bolivien-auszaehlung-nach-praesidentenwahl-loest-proteste-aus-a-1292766.html
  5. https://www.spiegel.de/politik/ausland/bolivien-auswaertiges-amt-fordert-stichwahl-nach-zweifelhaften-wahlergebnis-a-1293466.html
  6. https://www.dw.com/en/whats-behind-wealthy-chiles-deadly-protests/a-50917631

1 Kommentar zu „Das Ende einer Reise“

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