Seit vergangenen Freitag bin ich nach zehn Tagen Uganda wieder im Lande. Die Inkubationszeit der Malaria Tropica ist damit fast vorbei, und bisher haben sich keine Symptome eingestellt. Deshalb kann ich nun mit gutem Gewissen einen Rückblick auf die Reise wagen. Und auf die Erfahrung. Es war das erste Mal in Ostafrika. Eigentlich haben sich meine Erfahrungen mit dem Kontinent vorher nur auf eine Reise nach Südafrika 2011 beschränkt. Und viele sind ja der Meinung, das zähle gar nicht so richtig als Afrika.
Uganda? Wie kommt man denn darauf?
Uganda? Wie kommt man denn darauf? Das war so ungefähr die häufigste Frage, die man vor, nach und sogar während der Reise gestellt bekam. Tatsächlich waren die meisten der Touristen, die wir dort kennengelernt haben, mit NGOs oder sozialen Organisationen im Land und haben an ihren Projektaufenthalt noch ein paar Tage Safari in den Nationalparks drangehängt. Urlaubsreisende wie wir waren klar in der Minderheit. Die Geschichte hinter der Wahl des Urlaubsziels ist aber eigentlich recht fix erklärt: Nachdem mich Moritz die letzten zwei Jahre während der MBA-Module immer klaglos bei sich in Mannheim auf der Couch hatte pennen lassen, wollte ich als Dank einen Urlaub sponsern. Unser ursprünglicher Plan war Schottland mit dem VW-Bus. Aber auf Grund diverser Hochzeiten verschob sich der Termin dafür von Anfang September immer weiter nach hinten. Unsicher, wie denn im Herbst das Wetter auf der Insel sein würde1, suchten wir nach Alternativen. Die Kriterien waren auf den ersten Blick recht einfach: Wir wollten irgendwo hin, wo wir beide noch nicht waren, wo die Flugdauer nicht deutlich zehn Stunden übersteigt und der Zeitunterschied für einen solch kurzen Aufenthalt einigermaßen verträglich ist. Nun waren wir beide aber schon durchaus in der Welt unterwegs. Als großer weißer Fleck klaffte eigentlich nur die Mitte Afrikas bei uns beiden. Uganda gilt als relativ sicher und sehr schön, günstige Flüge waren auch schnell geschossen. Also los.
Voraussetzung für die Einreise sind eine Gelbfieberimpfung (und der Impfpass wird bei der Ankunft am Flughafen noch vor dem Reisepass kontrolliert) und ein Visum, das sich jedoch recht problemlos online beantragen lässt2. Flüge gibt’s unter anderem über Dubai, Istanbul und Brüssel. Wir entschieden uns für letzteres, auch weil 400,- € p.P. unschlagbar waren. Dafür fliegt man dann mit Brussels Airlines über Brüssel und macht einen Zwischenstopp in Kigali (Ruanda), bevor man in Entebbe ankommt.

Entebbe? Da war doch was? Ja genau, 1976 wurden dort die Passagiere eines Air France-Fluges von Palästinensischen Terroristen als Geiseln gehalten 3. Damals hieß der Präsident von Uganda Idi Amin. Der Prototyp des afrikanischen Gewaltdiktators, unter dessen blutiger Herrschaft von 1971-1979 etwa 300.000 seiner Landsleute ihr Leben verloren. Der Westen spielte dabei wieder einmal keine so glorreiche Rolle, in dem man ihn relativ ungerührt gewähren ließ und 1972 sogar noch als Staatsgast in Berlin empfing4, wo er sich über das Fehlen jeglicher Hitler-Denkmäler wunderte. Nun ja, das wegschauen der „freien Welt“ hat ja eine gewisse Tradition, den wen interessiert schon, was in Schwarzafrika passiert. Den traurigen Höhepunkt fand diese Attitüde 1994 im benachbarten Ruanda, als innerhalb von 100 Tagen die Volksgruppe der Hutu ca. eine Million ihrer Tutsi-Landsleute abmetzelte5 – aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Von der Amin-Zeit merkt man vor Ort wenig, zu viel ist in Uganda im Wandel, zu viele seit dem passiert, und bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von nur 59 Jahren wird man auch kaum Zeitzeugen finden. Das heutige Gesicht des Landes ist freundlich, man befindet sich in einer relativ stabilen politischen Lage, auch wenn Präsident Museveni, der 1986 als lupenreiner Demokrat angetreten war, mittlerweile auch immer mehr autokratische Tendenzen zeigt und nicht mehr daran denkt, das Präsidentenamt abzugeben. Trotz oppositioneller Demonstration und erneuter Unruhen in der Hauptstadt Kampala im August diesen Jahres übertreibt der Fokus doch maßlos, wenn er davon spricht, dass Uganda „nichts für Angsthasen“ sei und man sich nach Einbruch der Dunkelheit besser nur „im bewachten Hotel“ aufhalten solle6. Am Ende des Tages ist es wieder überall in der Fremde: Aufmerksam sein, ein bisschen angepasst verhalten und vielleicht nicht mit Geldscheinen oder der 1000-Euro-Spiegelreflex wedeln.
So war unser Aufenthalt denn auch eine Mischung aus kompletter lokaler Immersion und zweier gebuchter Touren in Nationalparks. Am Ende hätten wir auch die Touren mit den öffentlichen Bussen machen können, aber bei nur 10 Tagen kauft man sich eben mit Geld den Komfort und die Zeit, zwei Parks in entgegengesetzten Teilen des Landes unterzukriegen. Hat man mehrere Wochen Zeit und ist es egal, wenn man mal einen Tag irgendwo hängen bleibt, kann man da sicher auch auf eigene Faust unterwegs sein.

Unsere Reiseroute startete in Entebbe, direkt am Viktoriasee. Erstmal ankommen, ein Wildlife-Reserve und den botanischen Garten besuchen. Am dritten Tag im wuseligen Kampala galt es sich erstmal zu orientieren. Wir waren mit dem Batatu, den öffentlichen Minibus-Taxis in die Hauptstadt gefahren. Unschlagbar günstig, aber auch sehr eng. Denn in so einen völlig abgerockten Toyota Hiace passen gut und gerne schonmal 17 Leute. Die Endstation des Sammeltaxis war natürlich so gar nicht da, wo wir hin mussten, weshalb die Weiterfahrt mit komplettem Gepäck auf zwei Bodas, den Moped-Taxis, die das Stadtbild prägen, gleich die nächste authentische Erfahrung bereit hielt. Der touristische Wert einer afrikanischen Millionenstadt lässt sich nicht so ganz mit Mailand oder Wien vergleichen, weshalb wir ganz froh waren, dass es am nächsten Tag auch schon mit einer sehr netten Gruppe in einem Minivan (natürlich) in Richtung Murchison Falls-Nationalpark ging.

Nach 7 Stunden Fahrt war immerhin noch Zeit für einen kleinen Hike um die Wasserfälle, in denen sich der Viktorianil in die Tiefe stürzt, um ein paar Kilometer später in den Albert Lake zu münden. Geplagt von Tsetsefliegen kehrten wir danach, schweißgebadet und nilwassernass, in unser Restcamp ein. Dort wurde Uganda dann wirklich gefährlich. Denn nachts muss man auf dem Weg zu seinem Zelt aufpassen, keinem Hippo über den Weg zu laufen. Die Nilpferde machen sich nachts nämlich gerne auf die Suche nach Gras. Und auch wenn die Tiere nach behäbigen Pflanzenfressern aussehen, sind sie für mehr Tote verantwortlich als Haie und Schlangen zusammen. Nicht etwa, weil sie den Menschen als Snack schätzen, sondern weil sie sich einfach nicht gerne stören lassen. Und mit einer Topspeed von 40km/h würde selbst Usain Bolt nicht vor einem aufgebrachten Hippo davonlaufen können. Der Trick: Im Falle des Falles Haken schlagen und die Massenträgheit auf seiner Seite wissen. Zwar war nachts wirklich ein Exemplar an unserem Zelt zu finden, aber mit gebührendem Abstand sind die gewaltigen Tiere dann doch nur ein friedliches Schauspiel.

Gefühlt hunderte Giraffen, einige Elefanten und diverse andere Tiere in atemberaubender Natur.

Die folgenden zwei Tage verbrachten wir mit Safari-Fahrten in unserem Minivan, bei dem man praktischerweise das Dach hochklappen konnte, um im stehen oder auf dem Bus sitzend gefühlt hunderte Giraffen, einige Elefanten und diverse andere Tiere in atemberaubender Natur zu bewundern. Auf einer Flussfahrt auf dem Nil wurde uns nochmal klar, warum es keine Gute Idee ist, dort schwimmen zu gehen: Nicht etwa die Bilharziose verursachenden Egel, die sich in der Leber festsetzen sind da das größte Problem. Auch nicht die Hippos. Sondern vielmehr die allgegenwärtigen Nilkrokodile. So waren wir ganz froh, auf unserem Ausflugsboot in Sicherheit zu sein. Obwohl, war nicht erst vor zwei Wochen in Tansania auf tragische Weise ein Boot gekentert? Egal, nach drei Nile (dem lokalen Bier) schipperten wir völlig sorglos über den Fluss.
Zurück in Kampala nutzte ich den Zwischentag für einen ausführlichen Spaziergang durch die Stadt, inklusive Besichtigung der Gaddafi-Moschee, dem größten islamischen Gotteshaus in Ostafrika. Der ehemalige Machthaber Libyens und Idi Amin waren ziemlich gute Kumpels, weshalb Gaddafi 2002 die gesamte Moschee bauen ließen, um die unvollendeten Pläne des letzteren doch noch umzusetzen und den Muslimen eine prächtige Heimstätte zu schaffen. Zu Fuß durch Kampala ist darüber hinaus aber auch echt anstrengend. Verkehr und Menschengedränge sind intensive und die Abgase hinterließen den Eindruck, in fünf Stunden eine Schachtel Gauloises (und zwar die blauen) weggezogen zu haben.

Während der Fahrt frische Maracujas wegschlotzen.

Schön also, am nächsten Tag erneut aus der Stadt auszubrechen. Diesmal in den Queen Elisabeth Nationalpark. Wieder 7 Stunden Fahrt im Minivan, mit Zwischenstopp am Äquator. Am Straßenrand mancher Dörfer verkaufen die Bewohner frische Früchte. Avocados sind etwa dreimal so groß wie bei uns im Supermarkt, kosten ein Zehntel und sind auf den Punkt reif. Und für den Vitaminkick gibt es nicht besseres, als während der Fahrt frische Maracujas wegzuschlotzen. Im Park dann erneut Safaris und eine Bootstour, dafür aber komplett andere Eindrücke und Landschaft. Schimpansen im Dschungel, Elefanten satt und sogar Löwen, die eigentlich nur den ganzen Tag faul rumlagen und leider für die Kamera meines Telefons viel zu weit weg waren. Nachts direkt am Wasser wusste ich manchmal gar nicht, was lauter war: Moritzs Geschnarche oder das Geblöke der Hippos. Aber auch der Besuch eines Kratersees, in dem von den Einheimischen in harter Arbeit und unter gesundheitsschädlichen Bedingungen Salz abgebaut wird, hinterließ bleibenden Eindruck – bei aller Schönheit ist man immer noch in einem der ärmsten Länder der Welt.
Mit dieser Melange an Eindrücken und – toi, toi, toi – ohne Malaria, kann ich sagen, es hat sich wirklich gelohnt. Vielleicht ist das Land nichts für jemanden, der zwei Wochen entspannten Cluburlaub sucht. Und es ist auch sicherlich schwerer zu bereisen als die ausgetretenen Backpacker-Pfade in Südostasien. Aber die Freundlichkeit der Menschen, die atemberaubenden Landschaften und die Vielfältigkeit der Tierwelt haben die Faszination Afrika nachhaltig eingebrannt. Uganda wird seinem Namen als „Perle Afrikas“ auf jeden Fall gerecht.
Notizen
- Es war dann wohl während der Zeit sehr gut – aber das kann ja keiner wissen
- https://visas.immigration.go.ug/
- https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Entebbe
- https://www.welt.de/print/wams/vermischtes/article13504318/Ehepaar-Amin-in-Berlin.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda
- https://www.focus.de/reisen/service/tid-24557/trendlaender-2012-uganda-nichts-fuer-angsthasen_aid_697071.html
Pingback: 2018 – das Jahr im Rückspiegel - kOpinion