FCK AfD

Was macht man, wenn man im Bekanntenkreis auf Leute trifft, die eine fragwürdige Meinung zu politischen Themen vertreten? Sicher, es gibt die CDU-Wähler. Denen ist wahrscheinlich nicht mehr zu helfen und mit einiger Sicherheit stirbt die Mehrheit von ihnen bald aus – das Thema ging ja rund um die Europawahl zur Genüge durch die Medien. Dann gibt es da auch noch FDP-Wähler. Da kannste kaum was machen. Zum Glück hält sich die Anzahl der Zahnärzte, Anwälte und Hoteliers hierzulande aber in Grenzen.

Doch wie weit auseinander politische Werte da auch zu meiner eigenen Meinung liegen mögen, und wie sehr ich auch an jedem bierseligen Abend stundenlang mit den Leuten darüber diskutieren mag, all das sind demokratische Parteien, die legitime Interessen vertreten – nur halt nicht meine. Damit ist das aber völlig in Ordnung und ein Dissenz, den man in einer pluralistischen Demokratie aushalten muss. Alles chic also.

Aber was passiert, wenn jemand die AfD wählt? Oder vielleicht nicht wählt, aber frei nach dem Motto „das wird man doch noch sagen dürfen“ und „so ganz unrecht haben die ja nicht“ mit den Positionen von den Idioten sympathisiert, sie vertritt und verbreitet. Bei den Nazi-Idioten hört’s auf. Destruktive, mit der Verfassung schwer oder gar nicht zu vereinbarende Thesen kann man nicht einfach relativieren. Keine Toleranz für die Intoleranten.

FCK AfD!

Es gibt diese vielen Grenzfälle, die sich von der Politik nicht mehr abgeholt fühlen, die zu Recht finden, hier läuft etwas verkehrt. Für die ist leider der Schritt von der BILD-Boulevardhetze zu politischem Rechtspopulismus nicht mehr weit. Da muss man eigentlich gegen halten, Argumente liefern und überzeugen. In diese Kategorie würde ich einen Bekannten einsortieren, den ich schon lange nicht mehr persönlich getroffen habe, dessen Posts aber regelmäßig in meiner Timeline erschienen.

Oft habe ich versucht, was Sinnvolles in den Kommentaren zu hinterlassen. Und ich bin mir recht sicher, er hat die Anmerkungen zumindest immer gelesen und zur Kenntnis genommen. Als er vor ein paar Wochen allerdings einen Beitrag direkt von der AfD geteilt hat, war eine Grenze erreicht. Ich habe mir lange überlegt, was ich darauf kommentieren sollte. Sollte ich überhaupt? Er meint’s doch bestimmt nicht so, er is‘ eigentlich echt n‘ ganz Netter. Am Ende war ich zu müde, zu busy und einfach auch zu kraftlos, um noch was in seine Kommentarspalte zu tippen. Es ist ja auch immer das Problem mit dieser Hetz-Scheiße: Um einfache Parolen zu entkräften müsste man ja eigentlich komplett auf den zu Grunde liegenden komplexen Sachverhalt eingehen, um zu schildern, warum eine einfache Antwort meist gar keine Antwort auf das Problem sein kann, denn die Welt und ihre Probleme sind halt f*cking kompliziert!

Um aber in irgendeiner Form vor mir selbst konsequent zu sein, wurde nämlicher Bekannter einfach entfreundet. Ich benutze Facebook eh nur noch kaum, wir haben eigentlich nie direkten Kontakt, es würde ihm gar nicht auffallen. Dachte ich. Denn gestern Abend schrieb er mir eine Nachricht: Warum ich ihn entfreundet hätte, ob irgendwas wäre, und dass er meine Beiträge doch immer ganz gerne gelesen hätte.

Nun war ich ihm eine Antwort schuldig, die ich gestern im Bett liegend im Dunkeln in mein Telefon getippert habe, eine gute halbe Stunde lang. Und dafür muss ich ihm eigentlich dankbar sein, denn er hat mir die Möglichkeit gegeben, dass mal auszuschreiben. Zwar auf einem Phone und lediglich im Rahmen des Facebook Messenger-Zeichenlimits (ja das gibt es – musste am Ende aufwändig wegkürzen). Deshalb ist es roh und ein bisschen unvollständig, aber am Ende das, was ich jedem in meinem Bekanntenkreis sagen möchte, der undifferenzierte Inhalte nicht hinterfragt oder vielleicht sogar sein Kreuz bei der AfD gemacht hat1.

Hi mein Lieber,

ich hab lange damit gewartet, aber is mir dann doch ein bisschen zu viel gewesen. Es liegt nicht an dir als Person, und viele deiner Beiträge fand ich interessant, auch um eine Perspektive auf deine beruflich Situation zu bekommen. Du hast da ja auch immer ’ne Meinung zu, was ich sehr gut finde. Aber in letzter Zeit waren viele Posts sehr stark AfD-artig geprägt, zum Teil haben sie sogar direkt darauf Bezug genommen. Da war dann zum Beispiel der „Diäten-Wahnsinn“-Post. Da habe ich lange überlegt, etwas dazu zu schreiben, habe mich dann allerdings zum Entfernen aus meiner Timeline entschieden.

Das war nicht bös‘ gemeint und ehrlich gesagt war ich davon ausgegangen, es würde nicht auffallen, da ich selbst FB nur noch selten benutze. Aber da du jetzt fragst: meine Meinung zur AfD ist sehr eindeutig (und vergiss‘ mal das Diäten-Thema, auch da bin ich nicht deren Meinung, aber das ist jetzt wirklich nicht wert, daran was aufzuhängen). Nein, was ich meine ist, dass es verlogene Rassisten sind, die sich an der Spaltung der Gesellschaft laben. Ekelhafte Figuren wir Björn Höcke, die mit Nazis durch die Stadt marschieren und offen den Staat angreifen. Und es soll mir bitte keiner sagen „es sind ja nicht alle Nazis“ – nein, diese Partei toleriert und noch schlimmer, kokettiert mit dem braunen Abschaum. Da gibt es bei mir null Verständnis und null Toleranz.

Und versteh‘ mich bitte nicht falsch, es gibt mehr als genug, was in diesem Land schief läuft und über das man sich zu Recht aufregen kann, aber die Themen, die die AfD bedient, leben ausschließlich von der diffusen, gefühlten Angst der Menschen und Spaltung der Gesellschaft. Klar, 2015 die Sache mit den Geflüchteten war unkoordiniertes Chaos und wenn du mich fragst auch nicht der humanistische Move, für den sich Merkel schließlich hat feiern lassen, sondern einfach staatliche Überforderung mit der daraus folgenden einzig möglichen Konsequenz. Eine Bankrotterklärung. Aber mal ehrlich, ist DAS wirklich das Thema, was die deutsche Nation bewegen sollte? Was ist mit der Schere zwischen Arm und Reich, die immer größer wird, dass Bestverdiener sich komplett aus der sozialen Verantwortung drücken? Was ist mit den CumEx-Steuerbetrügen, die dem Staat in den letzten Jahren 55 Milliarden gekostet haben, was ist mit Umsatzsteuerlücken, die jedes Jahr Betrügereien von weiteren 50 Milliarden ermöglichen, mit Pflegekrise, Besteuerung von Digitalkonzernen?

Aber mit komplexen Themen kann die BILD-Zeitung nicht so gut hetzen. Da sind es lieber die Scheindebatten, um den Stammtisch zu beschäftigen, denn mal ganz ehrlich, wer in diesem Land versteht schon wie ein CumEx-Deal funktioniert, wenn das marode Bildungssystem dir nichtmal beibringt, wie du deine Steuererklärung richtig machst. Es ist also rechtspopulistische Ablenkung, um Macht zu erheischen. Die AfD hat keine Alternative. Und schon gar keine, die den „kleinen Mann“ besser stellt – sie macht Politik für die Besserverdiener. Weniger Sozialstaat, weniger Steuern für die Reichen.

Das live-Experiment eines populistischen Chaoten kann man sich gerade in den USA ansehen. Und der Idiot bringt die Welt gerade wieder an den Rand eines Krieges, nachdem er alle vorsichtig ausbalancierten internationalen Abkommen im Namen des Egoismus aufgekündigt hat. Vom Klima fang ich hier heute gar nicht erst an.

Du siehst, meine Bedenken sind da zutiefst ideologisch, da ich der festen Überzeugung bin, das komplexe Themen meist nicht mit einfachen Antworten gelöst werden können. Und so schön diese simplen Parolen auch klingen mögen für manche, weil sie ein klares Leitbild geben, eine Autorität, weil sie ein „die“ schaffen, das nicht zu „wir“ gehört und damit die andern, die Fremden, diejenigen ins Eck stellt, die „Schuld“ sein sollen.

Aber, und da wird es eben doch auch persönlich: Jeder ist auch selbst in der Verantwortung, diesen Rattenfängern nicht auf den Leim zu gehen, sich nicht für Hass und Angst zu entscheiden, weil’s einfach und bequem ist, sondern selbst zu denken! Natürlich sind das alles Probleme (auch die vielen Geflüchteten – natürlich!!!), aber sind das, was Gauland und Weidel und Orban und Le Pen anführen, wirklich die richtigen? Und welche Lösungen haben sie anzubieten? Totalitäre Autorität? Überwachung? Gleichschaltung? Ich habe noch keine Lösung von denen gehört, die nicht jedwede Intelligenz beleidigt oder auf Werten beruht, nach denen eine Gesellschaft funktionieren kann, in der ich gerne leben möchte.

Deswegen, habe ich dich entfreundet. Weil es mir immer wieder weh getan hat, den Bullshit in meiner Timeline auftauchen zu sehen. Und das von jemandem, den ich sympathisch finde und der sicher ein guter Mensch ist, der in einem ehrenvollen Beruf die Gesellschaft besser macht. Der aber trotzdem auf die fett gesetzten Blockschrift-Headlines abgeht, auf die Populismus-Hetze und die vermeintlich einfachen Antworten. Da war meine Reaktion schon fast sowas wie Verzweiflung.

Und ich bin Dir gerade auch dankbar, dass du nochmal nachgefragt hast und mir damit die Möglichkeit und die Pflicht gegeben hast, mich zu erklären.

Viele Grüße, Daniel

Notizen

  1. Kleine Änderungen wurden eingefügt, um nicht auf den ursprünglichen Adressaten rückschließen zu können

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