Zum 1. April beginnt mein einjähriges Sabbatical, zumindest offiziell.1 Und als pflichtbewusster Bürger stellt man fest: Besser mal auf dem Arbeitsamt Bescheid sagen. Zwar habe ich ja gar nicht vor, irgendwelche Leistungen zu beziehen, aber dennoch hat die Meldung und anschließende Abmeldung (wegen Abwesenheit) einige Vorteile.

Arbeitslosengeld (ALG 1) steht einem immerhin zu, wenn man in den letzten 24 Monaten 12 davon sozialversicherungspflichtig beschäftig war. Während eines Sabbaticals bekommt man das natürlich nicht, denn erstens muss man wegen der Eigenkündigung mit einer Sperrzeit von 3 Monaten rechnen und zweitens will man sich während der Zeit ja gar nicht irgendwo bewerben, steht also dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Wichtig ist eine Meldung aber doch, um zumindest den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu aktivieren und für bis zu vier Jahre einzufrieren.
Hierzu ein Beispiel: Kündigt man nach mehrjähriger Beschäftigung zum 1.4., geht auf full-blown-Weltreise und hat sich nicht arbeitslos und dann abwesend gemeldet, stellt nach der Rückkehr jedoch fest, dass man keinen Job mehr hat und geht am 2.4. des Folgejahres auf’s Amt, wird man keinen Anspruch auf ALG 1 mehr haben. Denn man war in den letzten 24 Monaten nur 12 Monate – 1 Tag sozialversicherungspflichtig beschäftigt und erfüllt damit nicht mehr das Anspruchskriterium. Folge: Kein Geld oder Hartz IV, und das zieht ja nun wieder einen ganz anderen Rattenschwanz nach sich.
Meldet man sich jedoch arbeitslos und dann in der Agentur für Arbeit ab („Bin reisen, Bewerbungen nöö, und tschüss!“), dann kann man den erworbenen Anspruch aus dem Beschäftigungsverhältnis bis zu vier Jahren einfrieren und geltend machen, wenn man dann mal wiederkommt und feststellt, dass man doch nicht so einfach wieder einen Job findet. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema findet man übrigens im Blog von Franzi und Matthias.
Nachdem ich mich also telefonisch arbeitssuchend gemeldet hatte, bekam ich – neben einer Reihe von Briefen mit recht unpassenden Jobvorschlägen – Post mit dem Termin zur persönlichen Arbeitslosmeldung auf dem Amt. Dabei wird der Lebenslauf aufgenommen, die Formalitäten geklärt und bei Bedarf der Antrag auf Arbeitslosengeld aktiviert.
Die Erfahrung dort war so verstörend, dass ich Sie im unbedingt Nachgang als Feedback an die Sachbearbeiterin zurückspiegeln musste. Folgender E-Mail Wortlaut gibt wieder, was ich dort erlebt habe. Dabei mag ich mir nicht ausmalen, was jemand fühlen muss, der dort als gegebenenfalls verzweifelter Bittsteller auf der Suche nach einem Lebensunterhalt vorspricht:
Sehr geehrte Frau xxxxxxxxx,
anbei erhalten Sie meine Veränderungsmitteilung, da ich zum 1.4.2019 nun doch nicht direkt ins Sabbatical gehe, sondern zunächst eine Stelle […] in Hamburg antrete.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal ein paar Worte zu meiner persönlichen Erfahrung bei Ihnen in der Agentur für Arbeit niederschreiben, da mich der Besuch doch ein wenig befremdet hat:
Ich bin in der sehr privilegierten Situation, noch nie auf Leistungen der Agentur für Arbeit angewiesen gewesen zu sein, und mein Besuch war nicht der eines Bittstellers, sondern lediglich, um im Rahmen meines Austritts aus der Daimler AG für ein Sabbatical den Meldeanforderungen pflichtgemäß nachzukommen. Dennoch hat mich die Art und Weise Ihrer Kommunikation irritiert, und ich mag mir nur ungern vorstellen, welch eine Wirkung sie auf einen Menschen in einer ungleich weniger komfortablen Lebenssituation gehabt haben mag.
Zunächst einmal war da nach nicht einmal einer Minute der Kommentar über meinen Pullover (“für die Marke macht Dieter Bohlen Werbung, alleine deshalb würde die schon nicht anziehen”) – seien Sie versichert, dass ich kein Privatfernsehen schaue und mir dieser Umstand nicht bewusst war, jedoch geht sie die Wahl der Kleidung Ihrer Kunden, sofern sie der gesellschaftlichen Konformität nach als “ordnungsgemäß” zu bezeichnen ist, nichts an.
Bei der Nennung meines Berufs war direkt der nächste vorurteilsbehaftete Kommentar Ihrerseits gefallen: “Naja, wie ein typischer Daimler-Projektleiter sehen Sie ja nun nicht gerade aus. Hätten Sie gesagt, sie sind bei Greenpeace und besetzen jetzt gleich eine Bohrinsel, hätte ich Ihnen das geglaubt.” – Ganz davon abgesehen, wie Sie persönlich den modischen Trend zu Vollbärten beurteilen, machen Sie das bitte nicht im Termin mit Ihren Kunden.
Und zu Guter letzt ist auch die Frage “Haben Sie slawische Vorfahren? Wegen Ihrer Kopfform.” eher kritisch zu beurteilen. Wüsste man es nicht besser, könnte man Ihnen einen latenten Rassismus unterstellen. Soweit würde ich an dieser Stelle jedoch nicht gehen, denn mein Eindruck war eher, dass Ihre Aussage einfach nur unbedacht und dumm war.
Wie bereits erwähnt, nehme ich aus dem Termin lediglich ein irritiertes Gefühl mit. Ich hoffe aber, Sie bedenken, dass solche Aussagen an Ihrer Stelle, immerhin einer Art Machtposition, die an der Gestaltung des Wohl oder Wehe mancher Leute Leben beteiligt ist, fehl am Platz sind.
Mit freundlichen Grüßen,
Daniel Kopenetz
Dazu sei gesagt, das die Antwort prompt und professionell kam. Sie werde an sich und ihrer Art arbeiten, war das Feedback, zusammen mit dem Hinweis, welche Leistungen mir noch für einen berufsbedingten Umzug zustünden. Chapeau vor der Art und Weise, wie das Feedback aufgenommen wurde. Dennoch hat jeder Mensch, der in einer verwundbaren Lebenssituation diesem Grad an Empathie gegenüberstehen muss, mein Mitgefühl.
Notizen
- Nun, das ist ja auch schon wieder überholt: Statt einer einjährigen Auszeit wird es direkt zum 1. April eine berufliche Veränderung geben, inklusive Umzug nach Hamburg! Die Reisepläne sind allerdings nicht ganz gestrichen. Ich habe bei der Bewerbung darauf bestanden, ab 1. August zumindest für 3 Monate nach Südamerika gehen zu können – und man hat mich trotzdem eingestellt :)